Praktikum

24 Tage Grafikdesign: 1-on-1-Mentoring mit meinem Gen-Z-Praktikanten

Anfang November 2021 erreichte mich eine Mail mit einer Praktikumsanfrage, die mich doch zum Schmunzeln brachte. Gustav, ein junger Mann aus Deutschland (Meisenheim), wollte sein schulisch verpflichtendes Praktikum bei mir absolvieren.

Da ich bis zu diesem Tag noch kein Praktikum gegeben hatte, aber gerne Neues ausprobiere, lud ich ihn erst einmal zu einem Zoom-Call ein. Nachdem er bestätigt hatte, dass er sich wirklich im Klaren darüber sei, dass ich in Österreich war und somit eine Reise von Nöten sein würde, einigten wir uns auf eine Mischform: die eine Hälfte im Home-Office, die andere Hälfte in meinem Büro, Studio 5/9 am Lendplatz.

Von meinen zwei doch unterschiedlichen Unternehmensbereichen entschied ich mich Gustav in die Welt des Grafikdesigns einzuführen und erstellte eine Aufgabe, die er innerhalb der 24 Tage umzusetzen hätte: das Erstellen eines Corporate Designs für eine fiktive Firma.
Die Recherchearbeit in der Home-Office-Zeit gestaltete sich dank Gustavs positiver Eigenschaft zum selbstständigen Arbeiten gut und in Windeseile stand der erste Tag des Praktikums vor Ort vor der Tür!

Als ich meinen Praktikanten dann an einem eiskalten Montagmorgen zum ersten Mal live sah, musste ich nach oben schauen, der 1,97 m große Deutsche stand grinsend mit einer Flasche Almdudler vor mir und war bereit, sein Praktikum im Grafikdesign zu absolvieren.


Zwei Wochen später interviewte ich ihn über seine Erfahrungen in dieser Zeit:

L: Die zwei Wochen Aufenthalt sind vorbei. Was hat dir am besten an Graz gefallen?

G: Das ist leicht; der Blick über Graz vom chinesischen Pavillion am Schloßberg aus! Obwohl Graz viel Altstadt hat, wirkt es bei Nacht irgendwie cyberpunkig durch die vielen Lichter.

L: Studio 5/9 liegt im Lendviertel  - wie unterscheidet es sich deiner Meinung nach vom Rest von Graz?

G: Ich fand es „heimeliger“ als den Rest der Stadt, es fühlte sich so an, als würden sich die Menschen hier kennen. Ich wurde immer superfreundlich gegrüßt.

L: Du bist mutig mit 17 Jahren alleine in ein anderes Land zu reisen, um ein Praktikum bei einer dir völlig Fremden zu machen, was war die Motivation dahinter?

G: Um ehrlich zu sein, hatte ich gerade ein kleines Down und brauchte dringend eine Abwechslung, wünschte mir neue Inputs für mein Leben. Hier bei dir in Graz habe ich auch viel vom kreativen Mindset mitbekommen, das einige meiner Ansichten verändert hat!

L: Was war völlig neu für dich in Bezug auf Grafikdesign?

G: Neben dem Erlernen von neuen Programmen auf jeden Fall, dass so viele Gedanken hinter einem Design stecken, z.B. was die unterschiedliche Anordnung von Elementen ausmachen kann, die Bedeutung von Farben, einfach alle Gedanken im Hintergrund.

L: Welchen Teil des Prozesses mochtest du am liebsten?

G: Ganz klar die ersten Skizzen anzufertigen, denn mir kamen so viele Ideen, dass ich sogar gestoppt werden musste ;-).

Selbstgezeichneter Avatar

L: Wie ging es dir bei der Präsentation des Logodesigns vor mir als ‚Kundin‘?

G: Ich bin keiner, der sich vor Präsentationen verrückt macht. Ich fand es angenehm und lustig dir den Prozess, meinen Weg zum Ziel zu zeigen.

L: Deine Kollegen haben ihr Praktikum in sozialen Berufsfeldern gemacht, du in einem Kreativberuf. Könntest du dir vorstellen als Designer zu arbeiten?

G: Nein, obwohl es spannend war, habe ich andere Ziele. Ich möchte mehr zeichnen und Storys erzählen, die die Leute fesseln. Ich möchte Aufgaben bekommen wie z.B. „Zeichne einen Charakter, der Boxer ist und auch magische Kräfte hat - wie könnte der aussehen?“ Game Art oder Charakterdesign könnte ich mir für mich gut vorstellen!

L: Du warst ja mein erster Praktikant, wie hast du mich als Lehrende wahrgenommen, konntest du meinen Anweisungen/Ideen/Inputs folgen bzw. etwas abgewinnen?

G: Dafür, dass ich dein erster Praktikant war, war ich sehr erstaunt, dass bereits alles so professionell war! (lacht) Durch deinen Zeitplan war alles angenehm übersichtlich und durchgeplant. Auch die Umsetzung fand ich gut, manche Arbeitsabläufe im Home-Office waren etwas zu starr für meinen Geschmack, aber das hat sich vor Ort dann geändert. Außerdem mochte ich die persönliche Note sehr gerne, nicht zu locker, nicht zu streng, ich fand es perfekt!

L: Welche deiner Ideen würdest du gerne visuell umsetzen/verwirklicht sehen, hast du ein kreatives Wunschprojekt?

G: Richtig cool wäre ein Frame für ein frame-gezeichnetes Animationsvideo oder mich selbst als Charakter zu zeichnen, mit dem ich mich überall online zeige. Auf jeden Fall etwas mit einem Drachen!

L: Zum Abschluss: Was wäre ein typisch österreichisches Wort, das du aufgeschnappt hast?

G: ciao baba, gespritzter Apfelsaft, „ich“ durch „i“ abkürzen.
„I hätt’ gern an gespritzten Apfelsaft mit Almdudler, danke ciao baba.“

L: Danke für das Interview, Gustav, ich wünsche dir eine gute Heimreise und ein erfolgreiches und kreatives Leben!

Gustavs Endergebnis: Logo für eine Marke, die vegane Ersatzprodukte herstellt


Auch für mich hatte das Praktikum positive Seiten zu bieten:

• Durch das Erklären von Dingen, die mir bereits klar waren, konnte ich mein Wissen auf die Probe stellen und Wichtiges wiederholen

• Anhand von Beispielen „wie man es macht“ fielen mir missing pieces‘ im eigenen Corporate Design auf, die ich somit überarbeiten/erschaffen konnte

• Einen spannenden Austausch mit Gen-Z zu haben, zu sehen was sie begeistert, wie sie sind

• Ich konnte mein professionelles Auftreten festigen, Geduld beim Erklären üben und hoffentlich nachhaltig und positiv in Erinnerung bleiben

Zum Schluss noch ein Zuckerl: Gustav hat mir die praktischste Seite ever gezeigt, die 10-Minuten-Website: https://10minutemail.net/
Für alle Gratisdownloads online, bei denen man sich nicht anmelden will, kann man sich für ein paar Minuten eine frei generierte Adresse erstellen und nach Herzenslust downloaden. Aber psssst! 

Noch mehr zum Thema Grafikdesign & Branding? Hier geht’s zu meinem neuestes Corporate Design für den Bürgermasta.